Urteil zur Unterlassungsklage wegen polizeilicher Videoüberwachung

2 min.
Ja, sie ist ein Kind unserer Zeit: Die allgegenwärtige Videoüberwachung. Und sie ist auch nicht jedermanns Sache – völlig zu Recht. Denn der Datenschutz ist ein Grundrecht. Ein Recht, selbst zu bestimmen, wer, wann, was von einem wissen darf bzw. nicht. Und so hat sich ein Bürger erfolgreich gegen die aus seiner Sicht omnipräsenten Kameras der Polizei zu wehr gesetzt. Das Urteil hat das Verwaltungsgericht Hannover erlassen (Urt. v. 09.06.2016 – Az.: 10 A 4629/11).

Die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus der Entscheidung:
1.
Es spielt bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Installation einer Videoüberwachung keine Rolle, ob die Kamera aufzeichnet oder nur beobachtet. Meines Erachtens nur konsequent zu einer früheren Unterscheidung, wonach es auch schon keinen Unterschied macht, ob die Kamera tatsächlich echt ist, oder es sich nur um einen sog. „Dummy“ handelt – eine Attrappe also, die nur so aussieht, wie eine echte Kamera.
Denn der Betroffene kann weder in dem einen noch in dem anderen Fall erkennen, was für ein Kameratyp ihm gerade gegenüber steht. Insofern darf er stets vom Schlimmsten ausgehen. Und der Maßstab der Prüfung der Rechtmäßigkeit hat sich eben an dieser möglichen subjektiv zulässigen Interpretation zu orientieren.
Sprich: Ist dem Betroffenen nicht klar, welchen Kameratyp er gerade vor sich hat, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von einer Kamera auszugehen, die Aufzeichnungen macht. Der Einwand, es handele sich lediglich um eine Kamera, die beobachtet und keine Aufzeichnungen macht, ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit unbeachtlich.
2.
Es gibt Situationen, bei denen grundsätzlich eine Videoüberwachung rechtmäßig ist, sofern sie sich an bestimmte Kriterien hält. So kann eine Kamera z.B. zur Verkehrsüberwachung durchaus rechtmäßig sein, solange sie eben nur beobachtet. Besitzt sie darüber hinaus weitere Funktionalitäten, kann sie z.B. auch Aufzeichnungen machen oder ein bestimmtes Fahrzeug heran zoomen, so verlässt diese Kamera den erlaubten Bereich und wird illegal. Es kommt übrigens nicht darauf an, ob diese zusätzlichen Funktionalitäten tatsächlich auch genutzt werden. Es genügt, dass sie die Möglichkeit haben.
3.
Ist der Zweck der Videoüberwachung die Kriminalprävention, so kann diese zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung mit den Kriminalitätsstatistiken für Kriminalitätsschwerpunkte belegt werden.
4.
Kameras sind per se illegal, wenn es an einer Zwecknennung oder an einer Notwendigkeitsprüfung durch die verantwortliche Stelle fehlt.
5.
Eine Klage gegen eine Videoüberwachung kann sich lohnen.
In diesem Fall wurden gleich alle 78 Kameras der Polizei zur Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte in Hannover, von denen 23 Kameras ständig aufzeichnen, angegangen. Mit dem Urteil sind zwar nicht alle, aber immerhin 56 Kameras abzuschalten. Das sind über 70%.
* 37 Kameras hiervon haben mehr Funktionalitäten als zulässig.
* 17 Kameras fehlt die Darlegung der Notwendigkeit
* Bei einer Kamera kam das Gericht zu einer anderen Auffassung der Einschätzung der Notwendigkeit als die Polizeidirektion. (Und eine Kamera fehlt in der Auflistung.)

 

Wer das Urteil nachlesen möchte, findet es hier.

 

Schreiben Sie hier Ihre „Lieblingskamera“ auf, von der Sie tagtäglich beobachtet werden. Von welcher Kamera werden Sie täglich verfolgt?

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Bild (CCO Public Domain)

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Über den Autor

Mein Name ist Julius S. Schoor. Ich bin Rechtsanwalt und spezialisiert auf IT-Vertragsrecht. Seit 2011 bin ich als Datenschutzbeauftragter TÜV-zertifiziert und bereits für mehrere Unternehmen als solcher offiziell bestellt.

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